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Künstler: Red sparowes

Album: Every red heart shines toward the red sun

Erscheinungsjahr: 2006

Anspieltipp: Gesamtkunstwerk

Autor: Markus

Unter der Standarte des „großen Sprungs nach vorne“ rief Chinas Präsident Mao Zedong in den Jahren 1959-1961 zahlreiche Massenkampagnen ins Leben, welche das Ziel verfolgten, die damals noch junge Volksrepublik binnen kürzester Zeit zur wirtschaftlichen Großmacht emporsteigen zu lassen. Auf Grund der Tatsache, dass Spatzen Getreide fressen, gelangte er beispielsweise zu dem Entschluss, dass die landwirtschaftliche Produktivität voran getrieben wird, wenn man alle sich im Land befindlichen Spatzen ausrottet. Folglich befahl er den Bauern Chinas, heraus auf ihre Felder zu gehen, um dort mit Töpfen und Pfannen Lärm zu schlagen. Infolgedessen flogen die verunsicherten Tiere pausenlos in der Luft umher und fielen auf Grund von Erschöpfung nach etwa fünfzehn Minuten tot zu Boden. Tatsächlich wurden auf diese Art und Weise Millionen von Vögeln getötet. Es existieren sogar Bilder aus dieser Zeit, auf denen Chinesen stolz neben einem dreißig Fuß hohen Berg aus Spatzenkadavern posieren. Zunächst schien Maos Plan aufzugehen. Die landwirtschaftliche Entwicklung boomte für kurze Zeit. Allerdings hatte selbiger vergessen, dass Spatzen als natürliche Feinde der Heuschrecken eine wichtige Funktion in der Nahrungskette bekleiden und nicht unwesentlich zur Reduktion des Heuschreckenbestandes beitragen. Es kam wie es kommen musste: Im kommenden Jahr fiel ein biblischer Schwarm besagter Insekten in der Volksrepublik ein und verwüstete die Landschaft. Diese Heuschreckenplage war mitverantwortlich für die Tatsache, dass in den Folgejahren ca. 30 Millionen Chinesen an einer Hungersnot starben.

Diese tragische, auf den ersten Blick unglaubwürdige, aber dennoch wahre Geschichte vertonen die Red sparowes auf ihrem zweiten Studiooutput „Every red heart shines toward the red sun“. Wie schon auf ihrem gefeierten Debutalbum „At the soundless dawn“ verzichtet das Kollektiv aus Musikern solch illustrer Bands wie Isis und Neurosis während der gesamten  gut einstündigen Spielzeit vollständig auf Gesang und kreiert stattdessen überlange, äußerst facettenreich anmutende Instrumentalkompositionen, die fast immer eine Spieldauer von mehr als sechs Minuten aufweisen. Überlang sind auch die Songtitel geraten. Da selbige die eingangs bemühte Geschichte erzählen, nehmen sie derart kolossale Ausmaße an, dass es wenig Sinn machen würde sie namentlich in dieser Rezession aufzuführen.

Die Musik der Red sparowes klingt ebenso melancholisch und aufwühlend wie die ihr zugrunde liegende historische Begebenheit. Die einzelnen Kompositionen fließen weitgehend ruhig, beinahe meditativ vor sich hin, gipfeln aber mitunter in dissonanten klanglichen Ausbrüchen. Die hochkomplexen Arrangements wirken bis ins kleinste Detail durchdacht, ohne aber mathematisch konstruiert oder gar leblos daherzukommen. Stattdessen bestehen die Klanggebilde durch eine enorme Dynamik. Nicht selten kreiert die Band eine unheilschwangere Atmosphäre, schafft es dabei aber immer wieder hinreißend schöne, zerbrechlich wirkende Melodien in die Stücke einzuflechten, die den jederzeit vorhandenen latenten Hoffnungsschimmer in den Vordergrund rücken. Auch ohne Gesang gelingt es der Formation in  formidabler Art und Weise die unterschiedlichsten Emotionen, wie Trauer, Resignation oder Wut in aufrichtige Tonkunst zu verwandeln. Hier werden Klanglandschaften geschaffen, die bei Freunden artverwandter Bands wie Godspeed you! black emperor oder Mogwai offene Türen einrennen werden. Aber nicht nur Anhänger des Postrock Genres sollten sich diese hochemotionale Platte einverleiben, jeglichem Freund anspruchsvoller Rockmusik sei „Every red heart shines toward the red sun“ ohne Einschränkungen wärmstens ans Herz gelegt. Selbstredend sind einige Hördurchläufe von Nöten, bis die äußerst vielschichtig anmutenden Mammutkompositionen vollständig vom Konsumenten erschlossen sind, denn mit jeder Rotation des rundum perfekten Silberlings treten neue klangliche Details zum Vorschein. Neu-Schlagzeuger Dave Clifford fügt sich im Übrigen bestens in das hier dargebotene Soundgeflecht ein und überzeugt mit punktgenauem, stellenweise recht aggressivem Drumming.

Das fulminante Zweitwerk der Red sparowes gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten Veröffentlichungen des gesamten Jahres 2006. Selten zuvor gab es ein rein instrumentales Album, welches eine derart einmalige, ja beinahe magische Atmosphäre heraufbeschwor. „Every red heart shines toward the red sun“ ist der ultimative Beweis, dass erstklassige emotionale Musik keinen Gesang braucht.

 

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